Streik: Und die Arbeit entfällt!

Wenn Arbeitnehmer in den Streik treten, verweigern sie ihre Arbeit zu den derzeitigen Konditionen, symbolisch für die Dauer eines festgesetzten Tages. Busse, Straßenbahnen, Flüge fallen aus, Kitas bleiben geschlossen, wenn der öffentliche Dienst zur Arbeitsniederlegung aufruft. Doch wer bekommt die Folgen eines solchen Streiks zu spüren? Zunächst einmal, sind es all diejenigen Bürger, die nicht im öffentlichen Dienst tätig sind. Sind diese aber aufgrund des Streiks von heftigen Einschränkungen betroffen? Was kann im schlimmsten Fall passieren? Das Kind muss den Tag bei der Oma oder der Nachbarin verbringen, der Weg zur Arbeit dauert heute mal 10 Minuten länger, der Flieger, der den Unternehmer von Berlin nach München bringen sollte fällt aus. Mist, jetzt müssen die Vertragsmodalitäten doch per Videokonferenz besprochen werden und auf die Weißwurst mit Brezel muss auch verzichtet werden, zu schade aber auch.

Der öffentliche Dienst ist nicht unbedingt ein Sektor, der nach Gewinnsteigerung streben muss. Kosten müssen gedeckt werden und in Relation zum Nutzen stehen, wobei sich die Gehälter der Beschäftigten an die allgemeine Wirtschaftslage angleichen müssen. Beeinträchtigt ein großangelegter Streik des öffentlichen Dienstes aber auch das Wachstum von Wirtschaftsunternehmen?

Beim Beispiel des Unternehmers, der nun doch nicht den Flieger an einem Tag von Berlin nach München und zurück nehmen kann, werden ja sogar noch Kosten für Reise und Verpflegung eingespart!

Leider stehen mir nicht die Mittel zur Verfügung die nötigen Berechnungen durchzuführen, um verlässlich eine Aussage darüber treffen zu können, ob ein großangelegter Streik im öffentlichen Dienst tatsächlich eine einschränkende Auswirkung auf das Wachstum von Wirtschaftsunternehmen hat oder vielleicht sogar eine Wachstums steigernde.

Als ich im Sommer 2010 mit mehreren Tausend Kommilitonen für die Abschaffung der Studiengebühren in Hessen auf die Straßen zog, blockierten wir natürlich auch Straßenbahngleise und Straßenkreuzungen. Als ich gerade mit einer kleinen Truppe, um die Mittagszeit an einer festgefahrenen verstauten Straßenkreuzung entlang zog, ließ eine Fahrerin ihr elektrisches Seitenfenster herunter und raunzte uns voller Wut und Hass an „Geht erst mal arbeiten!“. Nun, bin ich dann ja nach dem Studium. Und schon nach kurzer Zeit bemerkte ich an mir selbst auch eine zunehmende Unruhe, Nervosität und Genervtheit. Auch ich wollte nach neun Stunden im Büro auf dem Heimweg nicht unbedingt trödeln, um vor allem bei Sonnenschein, die Strahlen der Abendsonne zumindest noch einmal kurz auf der Haut spüren zu können.  Die Schrittgeschwindigkeit eines solchen „Homeruns“ beschleunigt sich enorm, wohingegen Arbeitslose angeblich an ihrem gemächlichen Gang erkennbar sind (siehe Jahoda; Lazarsfeld; Zeisel: Die Arbeitslosen von Marienthal, 1975 ).  Also ich gehe immer noch sehr schnell, weil es irgendwie in meiner Natur liegt. Dafür bin ich aber nicht mehr wütend, sondern nur noch nervös. 🙂

2 Kommentare zu „Streik: Und die Arbeit entfällt!

  1. Streik im öffentlichen Dienst als Kostenbremse für Unternehmen und damit wachstumsfördernd? Steile These!

    Na, die üblichen Lehrbuch-Argumente brauch ich ja wohl nicht auszubreiten (die u. a. durch den öffentlichen Dienst bereit gestellte Infrastruktur erleichtert Arbeitgebern und Arbeitnehmer den Einkommenserwerb etc. pp.).

    Oder vielleicht sollte man eher keynesiansch argumentieren? Denn der Manager, der eine Dienstreise per Flieger gebucht hat, der hat das Geld schon ausgegeben. Nun muss er Alternativen zum Flieger suchen – fährt Bahn, Auto oder macht wirklich eine Videokonferenz. Diese Alternativen führen zu ungeplanten Ausgaben, steigern die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Ein schöner Nachfrageimpuls. Oder? Ich fürchte, es gilt eher das alte Sprichwort „außer Spesen nix gewesen“. Streik ist und bleibt der Versuch die Wirtschaft resp. die betroffene Branche lahm zu legen. Und es erst weiter gehen zu lassen, wenn die Gewichte von den Unternehmensgewinnen zu den Arbeitseinkünften verschoben wurden. Das ist die legitime Idee dahinter.

    Und jetzt stell ich mir mal kurz vor, dass ich in den Urlaub fliegen will und nicht weg komme, weil gestreikt wird. Ob dann zur Beschreibung meiner Gefühlswelt „Nervosität“ ausreicht oder brauch ich doch eher „Wut“? Mal sehn.

    Was passiert eigentlich, wenn bei einem Streik größere Teile der Bevölkerung betroffen sind? Die Normalität des Alltags entfällt. Es entstehen Reibungen, wo bisher alles glatt lief. Vielleicht also eine Gelegenheit mal drüber nachzudenken, was einem diese Reibungslosigkeit wert ist und wenn es länger geht mit dem Streik, dann finden Einzelne vielleicht sogar dauerhaft alternative Alltagsabläufe. Uups, jetzt komm ich auf ziemlich morastiges Gelände mit meinen Überlegungen. Denn um Streiks zu entkommen bliebe in einer arbeitsteiligen Gesellschaft doch nur, genau auf die Produkte und Dienstleistungen der Arbeitsteilung zu verzichten, so weit man das halt kann. Statt Kita die Großeltern. Statt Supermarkt der eigene Garten. Möglichst nah am Arbeitsplatz wohnen, handwerkliche Fähigkeiten entwickeln. Irgendwie vormodern, oder? Dann doch lieber die Streikforderungen erfüllen, gell?!

    PS: Ach so, eine Anmerkung noch zu deinem Artikelbild. Sehr schön. Hoffe nur, dass es nicht für das Selbstwertgefühl Arbeitsloser steht!

  2. Streik soll sicher sinnhaft sein. Und was das Feld der Ökonomie tangiert, gilt in unserer Gesellschaft als nachvollziehbar. Von daher, können Berechnungen über die wirtschaftichen Folgen eines Streiks sicher keine solchen Überraschungen bringen, wie sie oben provokativ vermutet wurden.
    Aber wegen des Titelbildes: wie das Selbstwertgefühl von Arbeitslosen aussieht, muss wohl jeder Arbeitslose für sich selbst beantworten können, ich wollte hier zumindest keinen Zusammenhang herstellen. Aber siehe passend hierzu: Zygmunt Bauman: Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne, 2005.

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